Warum Reitpferde eine neue Balance finden müssen

Die natürliche Balance des Pferdes ohne Reitergewicht
Pferde werden bekanntlich nicht mit einem Reiter auf dem Rücken geboren. Sie entwickeln im Lauf ihres Heranwachsens eine natürliche Balance ihres Körpers. In einer natürlichen Umgebung würden Pferde in einer Herde von Weidegrund zu Weidegrund wandern, immer auf der Hut vor potenziellen Beutegreifern. Im Lauf der Evolution hat sich der Körper des Pferdes also daran angepasst, sich die meiste Zeit im gemächlichen Schritt fortzubewegen und bei Gefahr schnell zu fliehen. Die dafür nötige Balance, Kraft und Ausdauer entwickelt sich dabei natürlicherweise als Resultat der täglichen Anforderungen nach Futtersuche und der Flucht vor Raubtieren.
Mit dem Tragen eines Reitergewichtes braucht das Pferd eine neue Art der Balance.
Die Evolution hat das Pferd also nicht darauf vorbereitet, ein Gewicht auf dem Rücken zu tragen.
Pferde sind allerdings dazu in der Lage ein Reitergewicht zu tragen und dabei gesund zu blieben, wenn sie entsprechend auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Will ich also, dass das Pferd mich trägt, verstehe ich es als meine Aufgabe, das Pferd entsprechend zu trainieren.
Denn wenn Pferde uns tragen sollen, dann brauchen sie eine andere Haltung, eine andere Art von Geschmeidigkeit und eine speziell gekräftigte Muskulatur – Pferde brauchen mit dem Reitergewicht auf dem Rücken also eine neue Art der Balance
Die neue Art der Balance unter dem Reiter finden
1) Geraderichten des Pferdes
Zum einen muss die natürliche Schiefe des Pferdes, die ohne Reitergewicht keine Probleme macht bei einem Reitpferd korrigiert werden. Pferde sind von Natur aus etwas gebogen- ähnlich einer Banane. Unter natürlichen Bedingungen gleicht das Pferd diese Schiefe aus, aber wenn es dauerhaft ein Gewicht auf dem Rücken tragen soll, geht das nicht mehr. Für das Fluchttier Pferd ist es aus psychischer Sicht von enormer Bedeutung zu spüren, dass es auch mit Reiter auf dem Rücken in der Balance ist. Dabei hilft das Geraderichten enorm.
Zudem leiden sonst Gelenke und Sehnen unter der einseitigen Belastung und das Pferd kann die Hilfen des Reiters gar nicht korrekt annehmen.
2) Lastverteilung auf die Hinterhand
Zum anderen muss das Pferd die Lastverteilung von der Vorhand auf die Hinterhand hinbekommen. Natürlicher Weise trägt sich das Pferd eher auf der Vorhand. Bei Gefahr flieht das Pferd – hier kommt die Hinterhand ins Spiel, welche den nötigen Schub für die Fluchtreaktion liefert. Soll das Pferd nun aber einen Menschen kompetent tragen, so muss es Tragkraft entwickeln und lernen, mit der Hinterhand Last aufzunehmen.
Damit die Hinterhand Last aufnehmen kann, müssen die Hanken in der Lage sein, sich zu beugen.
Die Beugung der Hanken wiederum verlangt eine verstärkte Muskeltätigkeit der Hinterhandmuskulatur. Es ist also ebenfalls wichtig neben der Geschmeidigkeit auch den Kraftaufbau der zu fördern.
Wie richte ich nun mein Pferd gerade und stärke die Hinterhand?
Die klassische Dressur ist ein super Ansatz, der von Anja Beran gut und fundiert vermittelt wird. In ihrem Buch Klassische Reitkunst mit Anja Beran: Eine Anleitung für verantwortungsvolles Reiten
1, kann man sich wichtige Grundlagen aneignen, um korrekte Pferdeausbildung und gesunderhaltendes Reiten zu verstehen.
Kathrin Roida ist eine ausgewiesene Expertin für die korrekte Gymnastizierung der Pferde vom Boden aus. Auch ihr Buch „Gymnastizieren an der Hand“
2 kann ich sehr empfehlen.
Auch Herzenspferd hat sich mit diesem Thema beschäftigt und gibt dir hier Tipps und Übungen an die Hand.
5 Basisübungen zur Gymnastizierung und Vorbereitung auf’s Longieren - Herzenspferd
Besonders gut finde ich ihren Hinweis, wie du Stellung und Biegung deines Pferdes korrekt erarbeiten kannst.
Ich selbst konzentriere mich zu Beginn auf wenige und grundlegende Übungen, die ich leicht ausführen kann. Ich beginne mit dem Übertreten auf kleinem Kreis und dem korrekten Durchschreiten der Ecken. So stelle ich sicher, dass ich an den Grundlagen arbeite und mir damit weiterführende Lektionen ermögliche.
Gleichzeitig weiß ich, dass ich am Aufbau der wichtigen Muskulaturbereiche arbeite und die Balance meines Pferdes grundsätzlich verbessere.
Erst wenn diese Übungen problemlos klappen, gehe ich zu schwierigeren Übungen über und erarbeite mir die Seitengänge Schritt für Schritt.
Literatur:
1) Anja Beran (2013): Klassische Reitkunst mit Anja Beran: Eine Anleitung für verantwortungsvolles Reiten.
Cadmos Verlag
2) Kathrin Roida (2021): Gymnastizieren an der Hand. Kosmos Verlag